Berliner Szenegedanken.

Berliner Weisheiten, Kopfkeks

Heute um 19:31 Uhr war irgendwie wichtig. Der Tag war genau so lang wie die Nacht, oder so. Ich war im Mauerpark, aber der Frühling irgendwie nicht. Trotzdem war ich nicht alleine- neben den üblich nervigen Touristen welche allesamt die ach so alternative Berliner Kunst- Kultur- und Hippieszene gebucht hatten fand sich dort der sonntägliche Flohmarkt.

Überladen mit Fimuwürstchen verkaufenden Soziologiestudenten und der deutschen Sprache kaum mächtiger Technik- Tee- und Teppichverkäufern. Wer wollte, fand hier- wie sonst jeden Sonntag auch- wirklich jeden erdenklichen unbrauchbaren und unter Garantie hässlichen aber weil auf dem Berliner Szeneflohmarkt gekauften dennoch die Freunde zu Hause neidisch machenden allerletzten Mist. Es konnte einem schwindelig von den vielen wahl- und planlos aufeinandergestapelten Angeboten werden- nur warm wurde einem nicht. Wie erwähnt hatte der Frühling die Verabredung vergessen und uns alle sitzengelassen- die Sau.

Trotzdem oder gerade deswegen sah man viele junge Spinner die ihre Kleidung nach dem krassen “EntwederOder” Prinzip gewählt hatten: In der blauen Ecke (oder unter der blauen Decke) diejenigen welche in kurzen Hosen und Sonnenbrillen ihre käsigen Schenkel spazieren trugen; und in der roten Ecke das verfrorene Volk das immernoch genau so rumläuft wie bei -16 Grad und Frost im Schritt. Und trotzdem kommt jedes Jahr bei den Männern im Kreis die Frage nach dem Sinn für die Übergangsjacken der Frauen auf, aber damit beschäftige ich mich ein andern Mal.

Jedenfalls- um halb Acht, als alle Touris schon ihre Fahrräder gekauft oder geklaut hatten- standen wir noch bei den Vorbereitungen für das alljährliche Frühlingsfeuern. Soll heissen: Viele Menschen treffen sich um gemeinsam an einer Stelle Poi oder Stab oder Devilstick oder sonstwas anzuzünden und herumzuwirbeln. Viele viele Hobbyknipser mit vielen vielen Hobbykameras waren da, einer hat auch gefilmt und irgendjemand wahnsinnig berühmtes aus der Poiszene war auch vor Ort- wurde aber wenig bis garnicht beachtet, weil unter zwei Dutzend teilweise in Flammen stehenden langhaarigen Alternativen fällt der eine, der es richtig kann, eben kaum auf.

Egal, es geht ja auch um den Spaß, die Show, das gemeinsame Erlebnis. Darauf konnte ich allerdings irgendwann dankend verzichten- als meine Hände schon geschwollen und meine Beine de facto kaum mehr als Holzklötze an meiner Hüfte waren, ging man mit Anhang gen Wohnung. (Die nebenbei kaum mehr beheizt ist, als der Mauerpark.)

Und so, wie die Touristen auf dem genannten Flohmarkt ihr sauer zusammengespartes Urlaubsgeld verlieren habe ich schon längst den Faden verloren.

Egal. Muss wohl das Wetter sein.

 

Ich und meine Gegner

Kopfkeks, Misanthropie
“Glaubst Du wirklich ich hätte Dich nicht auf Anhieb erkannt?”
Meine Stimme hallt durch den kleinen Raum. Durch das halb zerbrochene Fenster fällt ein Sonnenstrahl, der die Luft zu zerschneiden scheint. In seinem Licht tanzen kleine Staubpartikel hin und her und von draussen hört man deutlich den lauen Wind in den Baumkronen rauschen.
“Ich habe mich hierher zurückgezogen um alleine zu sein.”
Keine Reaktion.
“Und das weißt du.”
Ich atme tief durch. Aus dem Kipplaufverschluß meiner Schrotflinte schleicht noch immer der Qualm des letzten Schusses. Wie die Sünde aus der Bibel schlängelt er sich das glänzende Metall entlang um dann geräuschlos gen Boden zu sinken und sich nach einem kurzen Augenblick im Nichts aufzulösen.
Jetzt, in diesem Moment könnte ich das gerne auch.
“Es wird Zeit sich mir zu zeigen. Du hast hier nichts verloren.”
Mein Tonfall wird fordernd. Das hatte noch nie etwas gebracht, aber vielleicht war heute anders. (“Vielleicht“. Ich war dieses Wortes so müde.)
Aber es bleibt still. Die Sekunden zwischen meinen Gesprächen mit den Kacheln an der Wand enthalten ein riesiges alles umhüllendes Nichts. Als wäre ich hier alleine. Als hätte ich mir den Schatten im Augenwinkel nur eingebildet. Habe ich aber nicht. Ich weiß genau daß er hier ist.
Eigentlich habe ich Angst, die Waffe nachzuladen. Das Einsetzen der Patronen bietet mehr als genug Zeit um mir in den Rücken zu fallen, aber ohne Schutz bin ich…
“Was redest du Dir ein. Schutzlos bist Du doch so oder so.”
Verdammt. Er hatte mich.
“Ich kann kommen und gehen wie es mir gefällt. Du warst die längste Zeit in der Kontrolle deines Körpers.”
Seine Stimme ist warm und vibrierend, direkt in meiner Wirbelsäule. Jeder S-Laut jagt mir einen Schauer durch den Körper und das Ende seiner Sätze ist vor Vibrato kaum noch zu verstehen.
“Es geht hier nicht um meinen Körper.”
“Ach nein?”
“Nein! Du bist nur in meinem Kopf!”
Ich verliere die Beherrschung, meine Stimme wird lauter. Verdammt, wieso kriegt er mich jedes Mal so weit?
“Spürst du ihn?…” fragt er mich langsam und genußvoll.
“…Den Kontrollverlust? Ein wunderbares Gefühl. Warum nur sträubst du dich dagegen, lass es doch einfach geschehen. Früher oder später… was macht das noch für einen Unterschied?”
Wenn ich mir diese Frage nicht schon so oft selbst gestellt hätte, könnte ich ihr vielleicht etwas entgegnen. Etwas laut sagen, das mir Mut macht, weiter wach zu bleiben.
Tatsache ist aber, daß ich nicht mehr zählen kann, wie oft ich schon vor dieser quälenden Entscheidung stand. Weitermachen? Oder Aufhören? Aufgeben? Sich geschlagen geben?
“Geben und Nehmen, so heißt es doch, oder?” summt die Stimme in meinem Nacken.
“Warum gibst Du mich dann nicht frei und nimmst dir jemand anderen?” frage ich ins Leere.
“Niemals.”
Seine Stimme klingt so entschlossen, daß meine Schultern schlagartig noch ein Stück schwerer erscheinen.
“Ich werde Dich in Fetzen reißen, für das was Du getan hast. Du kanntest das Risiko das Du damals eingegangen bist.”
Kannte ich nicht. Damals. Heute weiss ich genau über Risiken Bescheid, man könnte sagen es hat sich zu einer Art Beruf entwickelt.
Mit einem metallischen Schnapplaut lade ich die Flinte nach. “Ich habe immernoch eine Wahl.” zische ich und drücke mir den Lauf unter mein Kinn.
“Dazu fehlt dir der Mut.” murmelt die Stimme.
“Du kanntest das Risiko, als du mich gewählt hast!”
Ich habe zum ersten Mal seit Monaten für den Hauch eines Momentes das Gefühl, am längeren Hebel zu sein.
Die Kontrolle zurück zu gewinnen.
Jeder Millimeter, den ich den Abzug mit meinem Zeigefinger durchziehe, bringt mir ein Stück Macht über mich selbst zurück und ich muss mich fragen, wieviel davon ich wirklich haben will.
“Und du glaubst wirklich, dass DU dich allein vor diese Frage gestellt hast?”
Noch bevor ich mir darüber Gedanken machen kann löst sich der unsichtbare Griff in meinem Nacken und ich bin plötzlich wieder alleine in dem Zimmer. Meine komplette Wahrnehmung hat sich mit diesem Augenblick völlig verändert. Ich spüre den kalten Schweiß auf meinen Schläfen, die zittrige Hand am Abzug der Waffe und den harten Stahl der unangenehm auf meinen schlecht rasiertden Hals drückt.
Mit einem Mal erscheint mir die Welt in all ihren Details dreckig und unbedeutend. Egal was hier passiert ist oder hätte passieren können hätte den unbarmherzigen Lauf der Zeit nicht beeinflusst. Mir wird wieder einmal klar, wie klein ich bin- und wie groß das Ziel, das ich mir selbst gesteckt habe.
Entkräftigt lasse ich die Waffe sinken. Mein Kopf folgt ihr, und an den salzigen Perlen auf meiner Wange rennen Tränen mein Gesicht entlang, als würden Sie vor meinen Augen fliehen. Oder aus meinem Kopf.
Jetzt, in diesem Moment könnte ich das gerne auch.

Fiese Luxusprobleme – oder warum “ROFL” in meiner Bewerbung steht.

Berliner Weisheiten, Kopfkeks

Ich habe Luxusprobleme. Richtig fiese gemeine Luxusprobleme. Sicher, Luxusprobleme sind solche, die Andere gerne hätten. Dazu fällt mir nur ein: Hätte hätte Fahrradkette! Auch solche Probleme sind schlichtweg scheisse. Sicher bin ich froh nicht hungern zu müssen und medizinisch versorgt zu sein und und und. Trotzdem – meine Generation, die ohne große Depression, ohne Krieg und ohne Krisen aufwachsen musste, darf auch jammern.

Mein Luxusproblem ist: Ich bin zu gut, in dem was ich tue. In meinem Beruf meine ich. Ich habe einen festen Job und verdiene für Berliner Verhältnisse recht ordentlich. Meine Kollegen mag ich manchmal und manchmal nicht, je nach dem wie die Sonne gerade steht, und die Chefetage ist zwar ein wenig grenzdebil aber Alles in Allem recht freundlich. Gut, der Weg zur Arbeit stinkt wirklich ab. Die allerhinterletzte Ecke vom MV (Für nichtBerliner: Märkisches Viertel, SIdo und so) ist wirklich nur sehr schlecht mit den Öffis (für nB: Bus und Bahn) zu erreichen.

Trotzdem, auch wenn die Lage nicht prikär ist und ich einer der ganz wenigen in meinem Freundeskreis bin der überhaupt einen Job hat und sich nicht mit Praktika und Call Center Müll über Wasser hält: Ich will da raus. Es macht mich nicht glücklich.

Also bewerbe ich mich. Hier und da, dort und überall. Habe mir eine wirklich schöne Mappe erstellt, die auf vielen Schreibtischen landet und in vielen Mülleimern endet. Denn nach Bewerbungsgesprächen und Probetagen, nach Diskussionen über Gehaltsvorstellungen und Zukunftswünsche kommt immer wieder der gleiche Ablauf, jedes verdammte Mal:
Ich bekomme eine mündliche Zusage, alle sind begeistert. Meine Fotos der Wahnsinn, meine charakterlichen Züge herausragend, meine Zukunft gesichert, alles rosig und toll und super und einmalig und bla. Inzwischen wische ich mir den Honig direkt mit dem Handrücken wieder vom Mund und gehe nach diesen Personenkult-ähnlichen Lobeshymnen sehr nüchtern nach Hause.

Denn spätestens nach 3 Tagen klingelt mein Handy. Der kleine, grüne Android Roboter klopft an das Display und sagt mir dass die Personalabteilung der Firma XYZ anruft. Ich gehe ran und höre von einer jungen Frau mit viel Kompetenz in der Stimme eine der folgenden Aussagen:

-“Sie sind überqualifiziert.”
-“Sie sind so gut, sie würden sich hier langweilen.”
-“Sie haben doch was Besseres verdient.”
-“Sie sollten sich selbstständig machen.”

Manchmal ist es nur eine der vier Phrasen, meistens zwei oder mehrere. Leider werde ich auch nicht nach meiner Meinung gefragt ob ich das Probearbeiten denn wirklich so öde fand wie man annimmt. Und dass ich schonmal selbstständig war interessiert auch niemanden- und dass ich was “Besseres” verdiene, hey also wirklich Leute. Das sagt Kevin zu Steffi, wenn er nach zwei Wochen mehr Bock auf Jule hat.

Das ist frustrierend und nervig. Es stellt sich die Frage ob ich meine Bewerbung eher schlicht und ein bisschen mehr dämlich halten sollte. Ohne Arbeitszeugnisse oder eine Sedcard. Vielleicht sollte ich einen kurzen Text verfassen- natürlich voller Rechtschreibfehler und mit einem Haufen “LOL” und “ROFL”- und dann einfach mit einer Büroklammer ein Bild von mir dazuklemmen. Selbstverständlich nach dem neusten Standart von weit Oben, mit Hundeblick und ohne Nase weil überbelichtet und bessere Haut und so.

Ich denke, ich mache jetzt erstmal eine Bewerbungspause, genieße den Sommer und warte ob mein Traumjob nicht doch einfach zu mir kommt. Ohne jede Anstrengung. Schliesslich bin ich ja die Geilheit in Person, das muss ja früher oder später irgendjemandem auffallen.

Auf-hören.

Kopfkeks, Misanthropie

Ihre Atmung war sehr langsam. Regelmäßig. Wenn die Luft durch ihre Nase und ihren Hals strömte, hörte es sich an wie Wind in einer Höhle am Meer, der einem ab und zu über die Haut streichelte. Den Schweiß erkalten ließ. Sie ihren dehydrierten Körper spüren ließ, der schon so lange aufgegeben hatte, weil sie seit Tagen am verdursten war, in dieser Höhle. Und nur etwas Sonne drang durch die schmale Öffnung oben zwischen dem Gestein, durch das sie den Himmel sehen konnte.

Aber sie war in keiner Höhle. Es war auch nicht die Sonne, die in ihren Augen kitzelte. Es war die monoton surrende Lampe des Spiegelschrankes im Badezimmer. Wie ohrenbetäubend laut so ein Geräusch werden kann, wenn man nur lange genug nicht spricht. Und sie sprach fast nie. Mit wem auch, außer sich selbst. Und selbst das tat sie ohne den Mund zu öffnen. Es passierte alles in ihrem Kopf. Wie so vieles einzig und allein dort stattfand. Ihr Kopf war der einzige Ort, an den sie sich zurückziehen konnte, weil sie sich dort sicher fühlte. Hier konnte sie für sich sein und musste niemanden sonst rein lassen. In ihrer Fantasie war alles in Ordnung. Zumindest glaubte sie das. Darum störte sie hier auch nichts.

Ihre Wohnung. Das dunkle kleine Zimmer ohne Fenster. In dem nicht mal das Nötigste stand und sich die Umzugskartons seit Monaten stapelten. Es war ihr egal. Sie musste nur ihre Augen schließen, dann konnte sie allem entfliehen. Sie konnte alles zurücklassen, alle Verantwortung, alle Pflichten und alle Rechte. Wenn man lange genug auf der Flucht ist, erreicht man einen Zustand, in dem man eigentlich immer die Augen zu hat. Man übersieht den Briefkasten, aus dem schon die ersten Umschläge herausragen und kümmert sich nicht mehr um Nachbarn, die einen im Treppenhaus grüßen, nur um dann ein paar Stufen weiter etwas unverständliches zu flüstern. Man ignoriert auch die Signale des eigenen Körpers, als würde man ihm klarmachen wollen: „Hier habe ich die Kontrolle. Du hast nichts zu melden.“

So verstummen Hungergefühle und wandeln sich in ein angenehm warmes, weiches Kokon das einen schützend umgibt. Fast so, als würde man den Kopf in den Schoß seiner Mutter legen und ihre Hand auf der Stirn spüren. Man gräbt sein Gesicht in den Stoff, der leise raschelt und knistert wenn man sich auch nur ein kleines Bisschen bewegt. Und manchmal hört man den eigenen Herzschlag am Ohr, was fast klingt wie Schritte in feinem Kies. Das eigene Herz zu hören beruhigt und die Vorstellung von Kies unter den Füßen lässt einen von sonnigen Tagen im Park träumen. Und ganz unbewusst passt man seine Atmung den eigenen Schritten an.

Ihre Atmung war sehr langsam. Regelmäßig. Wie ein Herzschlag. Doch den konnte sie kaum noch hören. Als hätten ihre Schritte sich vom Boden gelöst und würden ins Schweben übergehen. Ihr Blut war auch schon eine Weile nicht mehr warm, sondern klebrig und dick. Es hatte aufgehört zu tropfen. Doch den Rhythmus der bis vor einigen Minuten noch von ihren Fingerspitzen rannte hatte sie inzwischen in ihre Atmung übernommen. Sie konzentrierte sich darauf. Dachte an Höhlen und Kies. An ihre Mutter. Sie schloss die Augen. Die Lampe summte nicht mehr.

Man erkennt gute Filme nur, wenn man im Vergleich auch schlechte sieht.

Rezensionen

Ein Sprichwort sagt “Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul”. Also machte man sich gestern Abend daran, die DVD von “Killers” zu schauen, die einer Freundin von lieben Verwandten in einem Osterpaket mitgesendet wurde. Ein kurzes Überfliegen der Rückseite vom Cover lässt zwar einen ziemlich mittelmäßigen Film vermuten, aber was hat der Inhalt eines Streifens schon mit der Aufmachung seiner Verpackung zu tun.

Bei “Killers” geht es um zwei Brüder, die ihre Eltern mit weiß Gott wie vielen Schüssen ermordet haben und nun aus dem Hochsicherheitstrakt entfliehen konnten. Jetzt verschlägt es sie auf der Flucht in ein lahmes kleines Kaff zu einer lahmen kleinen äußerst christlichen Familie. Vater, Mutter, zwei Töchter (Teenie und Kleinkind) müssen den beiden Wahnsinnigen unfreiwillig Unterschlupf gewähren – was sie sich irgendwann nicht mehr bieten lassen. Das ist die grobe Story, liest sich nach einem Klassiker à la “Last House on the Left”.

Im DVD Menü ertönt auch sogleich “In the Garden of Eden”, ein Klassiker, der die Vorfreude auf 82 Minuten guter Unterhaltung schürt. Also “Film ab”, volle Lautstärke und los geht’s.
Ja, los geht’s – mit der langen langen Liste an Dingen, die an diesem Film zu bemängeln sind. Schon nach wenigen Sekunden merkt man deutlich: Die Synchro hier ist schlecht. Ich meine RICHTIG schlecht. Monoton gelangweilt brabbelt die deutsche Tonspur vor sich hin, jeder N24-Bericht hat mehr Feuer und Leidenschaft in der Stimme als diese Gruppe von schwer lethargischen Synchronsprechern.

Ähnlich einschläfernd sind auch die Dialoge, sich hypnotisch um einen Haufen sinnlosen Nichts rankenden Gesprächsfetzen, die immer mal wieder vom laut schmatzenden Geräusch an einer Kippe ziehender Lippen unterbrochen werden. Überhaupt scheint Herr Mendez, Regisseur vorm Herrn, völlig fasziniert vom Rauchen zu sein, denn a) wird bei “Killers” stets und ständig geraucht und b) ist überall, ja wirklich ÜBERALL blauer Dunst. Auch wenn die nette christliche Familie (erst mal) nicht raucht, bei ihnen daheim wabert sich der Qualm durch alle Ritzen. Ich vermute mal, damit man die einfallenden Lichtkegeln besonders gut erkennen kann. Ein Wahnsinnsmittel in der Geschichte des Films. So einprägsam, dass es hier überall zu finden ist. Da muss dann auch keine logische Erklärung für den Dunst her. Wer weiß, vielleicht gibt’s ja einen Sumpf ganz in der Nähe oder die Familie hat eine Nebelmaschine, die sie nie ausschaltet – der gemütlichen Stimmung wegen.

Bevor ich zur Story zurückkehre, möchte ich auch auf die … ich suche das richtige Wort… fantastisch miserable Musikuntermalung (Ja, das passt.) hinweisen. Nehmen wir uns ein Keyboard von sagen wir 1992, bestenfalls 20 Mark und drücken hier ab und an auf den lustigen gelben Knopf, der eigens abgespeicherte Midi-Sequenzen ableiert. Diesen hochkarätigen Lärm vor Augen, zu dem normalerweise bestenfalls Rentnerpärchen im Kurpark tanzen, kann man sich ein sehr gutes Bild von dem machen, was bei “Killers” leise säuselnd im Hintergrund jammert. Es ist ein Elend. Besonders wirr wird es später, wenn manche Melodie ohne jeden erkennbaren Grund mitten im Dialog abrupt abbricht, nur um wenige Sekunden später wieder von vorne anzufangen. Vielleicht hatte man nur die ersten zehn Sekunden dieser MIDI-File. Das wäre zumindest für mich die einzig logische Erklärung.

Doch bis zu dieser besagten Stelle muss man erst mal durchhalten, denn der Film beginnt auch dramaturgisch ähnlich wie seine gesamte Sound-Kulisse: lahm. Lahm, lahm und nochmal lahm. Sogar als die Killer-Brüder schon im Haus sind, der Film bleibt lahm. Weder der Puls des Zuschauers steigt auch nur einen Moment über den in der Rem-Phase hinaus, noch scheint die arme Familie sonderlich beeindruckt von den zwei Massenmördern in ihrem Wohnzimmer zu sein. Nein, es wird seelenruhig in aller Vernunft weiter erzählt, als hätte man gerade mit den Nachbarn einen kleinen aber gelangweilten Schwatz am Gartenzaun.

Und hier muss – meines Erachtens nach – der geniale Geist des Regisseurs eingesetzt haben. Ihm wurde klar, dass er hier einen großen Haufen Mist in die Porzellanschüssel der Direct-to-DVD Productions setzt und er lenkte schlagartig um: Plötzlich findet sich der Vater auf einen Stuhl gefesselt wieder und wird geschminkt während die Mutter auf dem Schoß des einen Killer-Bruders hockt, ihm zärtlich durch die Haare fährt und sie sich über ihren eigenen Mann lustig macht. Der andere Bruder, na ja, der kümmert sich intensiv um die 17 jährige Tochter, die es plötzlich kaum erwarten konnte, ihm ihren nackten Körper entgegen zu strecken und die Kleinste möchte unbedingt ein Autogramm der Killer.

Hier stellt sich der Zuschauer, der bisher noch nicht abgeschaltet hat oder eingeschlafen ist (Was keine Schande wäre) zum ersten Mal die Frage: “Was zum GEIER?….”

Aber keine Angst. Es wird noch besser. Oder eben schlimmer, je nach dem. Denn wenn man gerade versucht sich selbst eine Erklärung für das seltsame Verhalten der Damen zu schustern, kommt auch schon der nächste Geistesblitz von Mike Mendez: Der Film ist immer noch kacke, wir brauchen einen radikalen Wandel in der Story! Und da ist natürlich nichts naheliegender, als den Spieß umzudrehen. Also, neue Karten:
Mama ist eine psychopathische Massenmörderin, Papa ein labiler Vietman-Veteran und die freizügige älteste Tochter schießt am Liebsten in ihrem Cheerleader Kostüm unschuldige Zivilisten mit ihrer M16 um.
Dieser spontane Sinneswandel kommt unseren Anti-Helden (wer auch immer gerade diese Rolle innehält) just in dem Moment, als die Spezialeinheit der Polizei ins Haus stürmt, um die Familie zu retten. Angeführt von einer Frau, die wahnsinnig gerne Schimpfwörter benutzt, steht also ein gutes Dutzend schwer bewaffneter G.I. Joes im Wohnzimmer, die nur aufgrund eines Tipps vom kauzigen alten Nachbarn das richtige Haus gefunden haben. Und anstatt das Gebäude zu durchsuchen, bleibt das SWAT-Team erst mal zum Plaudern in der Stube (vielleicht gibt es ja Plätzchen, kann doch sein) und lässt somit dem Vater (der sich inzwischen befreien konnte) genug Zeit, um einen der Polizisten mit der Axt zu erschlagen während seine Frau der fluchenden Leitung des Teams die Kehle durchschneidet. Ja, so kann’s im Leben gehen. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt und drittens muss es keinen Sinn ergeben.

Schnitt, was mit dem Rest der Spezialeinheit passiert ist, weiß keiner, offenbar haben ein Küchenmesser und eine Axt gereicht, denn inzwischen ist Killer-Bruder Nummer Eins im Keller und wird dort von “Bob”, einem verkorksten Zombie-Kind der Familie, mit Lebensmitteln versorgt. (???) Währenddessen hat sich die Polizistin mit dem losen Mundwerk (Ja, die, die eigentlich eben noch mit aufgeschlitzem Hals den Teppich vollsaute) in Killer-Bruder Nummer Zwei in einem anderen Teil des Kellers verschanzt (Es ist nämlich ein ganzes Labyrinth müsst ihr wissen, welcher amerikanische Haushalt hat das nicht!) und gesteht ihm ihre große Liebe, kurz bevor ein Haufen Kannibalen (???) auf das ungleiche Paar zu stürmt und die Dame im nicht stattfindenden Kugelhagel eine tödliche Bauchverletzung erleidet.

Jetzt geht alles ganz schnell, Mendez merkt, dass er so viel Grütze versucht hat unterzubringen, dass der Film nicht mehr zu retten ist. Bob wird von seinem Teilzeit-Zögling ermordet, dieser wiederum findet ein jähes Ende bei der ältesten Tochter, die ihn mit mehreren Salven ins Jenseits ballert. Der andere Killer knallt noch schnell Mami ab, rächt seinen Bruder und wird von Papi sechs Mal angeschossen. Er kriegt aber seine Flinte nochmal hoch, Papa geht hops und er taumelt zurück ins Wohnzimmer, wo er nochmal eine kleine Schießerei mit der Jüngsten hat(!). Wieder kriegt er ein ganzes Magazin ab, macht nichts, er schießt die Kleine über den Haufen und verlässt das Haus nach draußen. Dort war bisher ein weiterer Trupp der Spezialeinheit zugegen, jetzt liegen ein Haufen Gliedmaßen auf dem Rasen, die von noch mehr Kannibalen angeknabbert werden. Plötzlich ist der Tattergreis wieder da (Genau, der mit den tollen Tipps für die Polizei) und befehligt seine Freunde den übrig gebliebenen Killer-Bruder ebenfalls zu verspeisen. Und Ende.

Tja, genauso verwirrt, wie ihr es jetzt wahrscheinlich seid, waren wir am Ende dieses Films auch. Zusammenfassend lässt sich sagen: Seltsamer Film mit miesen Dialogen, grauenhaften Synchronsprechern, furchtbarer Musik und völlig sinn- und zusammenhangsloser Story, die sich in keinem Maße auch nur annähernd selbst erklärt. Viel Freiraum für Spekualtionen aller Art – und ich gönne mir diese Freiheit mit dem Urteil: Scheiß Film.

Wenn Kackbratzen nicht alleine sterben wollen.

Kopfkeks

Ich behaupte mal, dass ich den Großteil der Beweggründe der meisten Menschen um mich herum und von denen ich lese verstehen kann. Wobei ich hier grundsätzlich unterscheide zwischen verstehen und nachvollziehen – denn nur weil ich verstehen kann, dass jemand für seine Überzeugung bereit ist wirklich alles zu tun kann ich noch lange nicht nachvollziehen warum er dabei andere Menschen in den Tod reißen muss.

Es gibt jedoch Dinge, die entziehen sich meiner Vorstellungskraft. Entscheidungen, bei denen ich mich mit offenem Mund fragen muss: Was zum Geier hat diesen Typ dazu geritten? Das sind zum Teil Dinge, die jede noch so grenzdebile Blödfichte unter keinen Umständen tun würde! Egal wie rotzglockendämlich manche Menschen sein mögen, es gibt einfach Dinge bei denen man sagt: “ICH BIN DOCH KEIN IDIOT!”. Das ist doch so eine Art natürlicher Schutz, ohne den jeder einzelne Neandertaler versucht hätte herauszufinden ob er nicht doch fliegen kann oder vielleicht mit dem Säbelzahntiger von der Höhle nebenan im Winter schmusen darf.

Doch offensichtlich hat uns die Evolution hier einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn dieser Instinkt verpufft scheinbar mit Anfang 20 und kehrt erst in den 30ern zurück. Ich schreibe hier vom Plan mancher Leute, ihr Leben in Windeseile in den Sand zu setzen. Diese mentalen Tiefflieger entscheiden sich ganz bewusst total spontan alles wofür sie bisher standen und was ich an ihnen sympathisch fand über Bord zu werfen und sich einen völlig neuen und modischen Charakterzug eigen zu machen: Sie werden zu Kackbratzen. Junge und aktive Leute mit Träumen und Idealen wollen plötzlich Sicherheiten, geben sich mit den absurdesten Dingen zufrieden und jagen Zuständen hinterher, die für alle Nichtbetroffenen eher Fluch als Segen wären. Jeder kennt dieses Kackbratzen-Phänomen, wie haben es alle schon erlebt, denn es hat viele Gesichter. Einer der Klassiker ist allerdings dieser:

Menschen, die selbstbewusst auftreten, unabhängig sein wollen und gerne auf den Putz hauen, ja, Menschen mit denen man buchstäblich Pferde stehlen kann, hatte jeder schon mal im Freundeskreis. Irgendwann lernen diese Draufgänger dann jemanden kennen – und finden diesen Jemand auch sympathisch. Gut, wir wundern uns, denn “Jemand” ist ein bisschen träge, fad und so gar nicht spontan. Wir denken uns dabei nichts weiter und auch die Tatsache, dass sich unser cooler Freund plötzlich nur noch reaktiv und bestenfalls sporadisch meldet ist noch kein Alarmsignal für uns – bis wir auf einmal eine Nachricht bekommen mit Inhalten wie “Wir sind verlobt!” oder gar “Wir erwarten ein Kind!”. Wir bekommen den verdutzten Gesichtsausdruck gar nicht so recht aus der Visage – wie kann es denn sein, dass man sich drei Monate kennt und dann meint heiraten zu müssen? Mit Anfang 20?! Sind die denn noch ganz bei Trost?

Ich meine- klar, das “2-Menschen-mutieren-zu-einem-grässlichen-Mischwesen”-Phänomen aufkeimender Liebesbeziehungen ist hinlänglich bekannt. Irgendwann heißt es nur noch “wir” wollten heute einen gemütlichen Abend machen und “wir” kommen gerne zu deiner Party (Auf der das Wesen “Wir” dann auch aneinanderklebt wie die Pest und somit jeden sozialen Kontakt zu alten Freunden im Keim erstickt). Das passiert jedem irgendwann mal und ist somit irgendwo legitim. Widerlich – aber legitim. Aber heiraten? Kinder kriegen? Mit einem Kerl den man seit nicht mal einem halben Jahr überhaupt kennt? Ist das dann die berühmte Torschlusspanik? Muss man jenseits der 20 schon Angst haben, alleine zu sterben? Es will mir nicht in den Kopf! Das ist Kackbratzenlogik – aber nichts für mich!

Anderer Klassiker, allerdings im gleichen Alter vorkommend: Eben diese (bisher) coolen und lässigen Menschen, die ihre Ausbildung zum Was-auch-immer gerade fertig haben, sich eine Stelle suchen und dann allen ernstes mit einem Lächeln im Gesicht sagen können: “Ja. Das isses dann für die nächsten 40 Jahre.” Wo ist der Drang hin, die Welt zu erkunden? In großen Städten zu leben? Erfahrungen zu sammeln? Die größte Unabhängigkeit dieser Menschen bleibt der Auszug bei den Eltern und das wars. Welche schreckliche Krankheit muss diese armen Opfer befallen haben? Was treibt sie dazu?

Bei manchen geht das ja schon in der Schulzeit los: Typen, die mit 18 Jahren im Anzug zum Unterricht kommen und seit sie den Führerschein haben unbedingt einen auf “Ich bin wie mein Papi: Vernünftig und gesetzt. Yeah.” machen müssen. Sollte man nicht grade nach der Schulbank erstmal ein paar Jahre auf die Kacke hauen? Saufen? Das erste Geld für Blödsinn verprassen? Gegen einen Baum fahren?

Der dringliche Wunsch, so schnell es nur irgend geht erwachsen zu werden und seine Kindheit und Jugend vorzeitig abzubrechen, kann in meinen Augen nur nachhaltige Schäden hinterlassen. Irgendwann mit Mitte 40 wachen diese Kerle dann auf und bemerken: “Kacke – ich habs verpennt!” und machen sich dann zum Affen indem sie versuchen, die Zeiten nachzuleben die sie damals in Lackschuhen und Krawatte vergeudet haben. Ich für meinen Teil bin heilfroh, dass ich mein inneres Kind bewahren konnte – und würde es auch nie aufgeben. Was wenn nicht diese infantile Art, die einen manchmal einholt, bewahrt uns davor dem grauen Alltagstrott zu erliegen und zu eben dieser Art Erwachsener zu werden, die wir als Knirpse nie sein wollten: Angepasst. Wir wollten nie akzeptieren, dass es “nun mal so ist”, wollten nie aufhören nach Alternativen zu suchen, statt einfach alles hinzunehmen und uns zu fügen. Wir suchten nach einem Weg, unsere Träume zu verwirklichen – sei es nun mit dem Rucksack ein Jahr durch Irland zu wandern oder einfach seinen Traumberuf erlernen und sich volles Risiko selbstständig zu machen. Wir wollten immer die sein, die das Leben ficken bevor sie vom Leben gefickt werden – bis sich manche dazu entschlossen, sich tief zu bücken und zur Kackbratze zu werden.

Das traurigste aber am Kackbratzendasein ist, wenn sie früher als geplant merken, dass sie gar nicht wollen, was sie da leben. Wenn Menschen die einem einst lieb und teuer waren wenige Jahre nach ihren “Schnapsideen für den Rest ihres Lebens” auf einmal zu einem kommen und erzählen müssen, dass die Scheidung im Gange ist. Dass man nach einem Jahr Ehe gemerkt hat, dass es doch nicht das Wahre ist. Dass die Kinder nun aufgeteilt werden müssen. Sie bemerken ihre Fehlentscheidungen, die eine viel größere Auswirkung auf ihre Existenz haben als das Arschgeweih, dass sich manche genauso spontan und dämlich im Wahn ihrer Kackbratzenphase haben stechen lassen. Und dann ist es nicht selten zu spät.