Ein Leben ohne Facebook II

Allgemein

Durch den Umstand eines Umzuges zwischen den Jahren und dem damit einhergehenden Mangel eines Internetanschlusses kam ich erst zum 2. Januar dazu, mich bei Facebook abzumelden. Da ich wie erwähnt die letzten Tage ohnehin keinen Zugang zum Internet hatte, war mein Gefühl bezüglich des Abgangs aus dem sozialen Netzwerk inzwischen ein Anderes als noch vor wenigen Wochen.
Kurz nach dem Entschluss, Facebook den Rücken zuzukehren ereilten mich schon die ersten Zweifel und Sorgen, danach zu vereinsamen. Nie wieder zu Partys eingeladen zu werden und überhaupt den kompletten Ablauf des modernen Internets zu verpassen. Tatsächlich war die Angst, Bekannte aus den Augen zu verlieren und vielleicht sogar echte Freundschaften aufs Spiel zu setzen eine kleine Weile lang sehr aktiv. Ich war mir sicher, ich würde mich mit nicht nur auf dem Bildschirm buchstäblich abmelden.

Ich postete zwei Mal von meinem Vorhaben und dass ich mich über Email Adressen und Handy Nummern sehr freuen werden. Die Reaktionen darauf waren eher verhalten, ein Post mündete in eine kleinere Diskussion ob des Sinns meiner Aktion und der zweite sammelte immerhin noch zwei oder drei Likes. Wirklich viele gemeldet haben sich allerdings nicht, und da ich niemanden damit behelligen wollte ging ich am 2. Januar nur mit einer Handvoll Kontaktdaten aus den Büchern der Gesichter heraus. Bis dahin hatte ich aber, wie schon erwähnt, keine allzu großen Sorgen mehr um mein soziales Umfeld.
Zum Einen hatte sich durch meine gezwungene Abwesenheit bewiesen dass sich Freunde auch ohne Facebook in meiner (neuen) Wohnung einfinden und zum Anderen wurde das Bedürfnis regelmäßig meine Chronik zu kontrollieren, um zu sehen wer vielleicht etwas Interessantes geteilt haben würde, mit jedem Tag schnell weniger.

Und so kam es, dass ich mich also ein letztes Mal einloggte; zwar einige rote Zahlen am oberen Bildschirmrand sah, aber diesen keinerlei Beachtung schenkte. Der Weg zur Abmeldung war erstaunlich leicht zugänglich – binnen zwei Klicks sah ich den Button “Konto löschen”. Einmal betätigt begann sich dann allerdings “das Ding”, das sich Facebook nennt, heftig gegen sein drohendes Schicksal zu wehren.
Zuerst wurden mir einige Fotos von Freunden gezeigt. “Mit all diesen Freunden kannst Du nicht mehr schreiben, wenn Du dich wirklich abmeldest!” Mir kamen die Tränen. (nicht.) Der erste plumpe Versuch scheiterte kläglich. Unbeeindruckt bestätigte ich meine Verdammung zur ewigen sozialen Isolation.
Jetzt kamen die ersten Fehlermeldungen: Seiten, bei denen ich Administrator war, Gruppen deren Mitglied ich war und Spiele, die ich (mehr oder weniger bewusst) gespielt hatte – jeder durfte sich einreihen in die Schlange der zu bestätigenden Meldungen, die mich an meinem Vorhaben hindern sollten. Die ersten Hinweise las ich noch aufmerksam durch; irgendwann wurde es mir aber zu blöd und ich klickte einfach fleißig auf der Stelle und kam so endlich zu meinem letzten Akt auf der Blauen Bühne der Gläsernen Daten. Ich wurde zur Facebook Login Seite zurückgeleitet und war frei.

Tatsächlich stellte sich einen kleinen Moment lang ein winziges Gefühl von triumphaler Freiheit ein. Als hätte ich eine winzig klitzekleine Kette gesprengt. Eine ideelle, nicht greifbare Mini-Kette. Herrlich. Mann, hab ich Facebook in den Arsch getreten. Ha. Ich bin ja so individuell, und all den Anderen, die angemeldet bleiben um einiges voraus. Die werden schon sehen, was sie davon haben!

Der Moment hielt wie gesagt nicht lange. Irgendwie war das Bezwingen des inneren Online Stalkers doch kein so wichtiger Lebensabschnitt wie erwartet; und so löschte ich Facebook aus den Favoriten und war mit dem Thema durch. Mir war klar, dass ich schon lange viel mehr aus Gewohnheit als aus Nutzen noch angemeldet war, und überraschenderweise war die Gewohnheit schnell abgewöhnt, als würde einem mit dem Ausdrücken der letzten Kippe des Tages zwar klar, dass man keine neuen mehr hatte – aber man sah auch keinen Nutzen darin, sich welche zu besorgen.

Der Abschied war also leicht – ob die langfristigen Schäden am reellen sozialen Netzwerk wirklich noch eintreten, bleibt abzuwarten. Aber ehrlich gesagt bezweifle ich es sehr, dass ich irgendetwas oder -jemanden vermissen werde. Es gibt schließlich immernoch Smartphones, Emails, SMS, Telefon und spontane Besuche – von alten Freunden in neuen Wohnungen.

Ein Leben ohne Facebook I

World Wide Crap

Letzten Endes habe ich mich doch dazu entschieden, mich bei Facebook abzumelden. Ich lese immer mehr über die neuen, geänderten AGBs, die sich zum 1. Januar 2015 einstellen werden. Und – wer hätte es gedacht – ausschließlich Negatives. Gut, viele der Artikel oder Videos zu dem Thema dramatisieren etwas. (Hier ein wunderbares Paradebeispiel.)

Sicher, ich wohne nicht in den USA und die Chancen, dass CIA, FBI und wie sie alle heißen meine Daten speichern ist sicher ziemlich gering. Und auch im heimeligen Deutschland braucht es schon eine Schippe Zufall und einen kleinen Haufen Glück dazu, einer der wenigen Auserwählten zu sein, die sich die Regierung näher ansehen möchte. Aber darum geht es mir auch gar nicht.

Ehrlich gesagt mache ich mir auch keine allzu großen Sorgen, auch wenn ich jetzt einige Jahre bei Facebook angemeldet war und wirklich regelmäßig gepostet habe. Ich habe mich nicht unter meinem richtigen Namen angemeldet, nur meine Spam-Mail Adresse verwendet, habe nie die App benutzt und Facebook wo es nur ging die Schnürsenkel zusammengebunden. Es gibt wenig bis gar keine Fotos von mir auf der Seite – mal ganz davon abgesehen, dass ich sämtlichen Content mit dem Löschen meines Profils auf lange Zeit gesehen sowieso für den bösen blauen großen Bruder unzugänglich mache. So gesehen würde es also keinen großen Unterschied machen, ob ich bei Facebook angemeldet bleibe oder nicht.

Denkste. Vielleicht ist das der Punker in mir, der vor einigen Jahren noch bei der Antifa war und generell Probleme mit seiner Regierung hat. Vielleicht ist es auch der Anfang-30er in mir der fast alle Einladungen zu irgendwelchen Veranstaltungen wegklickt. Ich glaube, es ist eine gute Mischung aus Beidem; und obendrauf der Widerwille, dieses System weiter für soziale Kontakte zu nutzen, weil es diese nur allzu beiläufig werden lässt.

Bei Facebook ist man ständig on und teilt so manchen privaten Kram mit der Welt. Diese ununterbrochene Erreichbarkeit macht den Kontakt als solchen selbstverständlich. Man muss sich keine Mühe mehr geben, immerhin kann man sich jederzeit zwischen Tür und Angel beieinander melden, um mit einem kleinen Chat (ganz egal, wie weit dieser zeitversetzt ist) die zwischenmenschliche Beziehung auf der Kante zwischen Freundschaft und Bekanntschaft zu halten.

Das Blöde daran ist nur, wenn ich mir keine Mühe um Jemanden gebe, dann ist es auch nicht mehr als eben diese Bekanntschaft. Wenn überhaupt. Von allen Kontakten die man so hat – mit wie vielen davon hat man wirklich etwas zu tun? Und was bedeuten uns die Informationen, die wir von Jemandem über dessen Chronik lesen, mit dem Wissen, dass jeder Andere sie auch haben darf und kann? Ehrlich gesagt: um mit einer Handvoll wichtigen Menschen in Kontakt zu bleiben brauche ich kein Facebook. Die möchte ich treffen, sehen und mit ihnen sprechen. Über Dinge, die nicht Jeden etwas angehen oder von denen ich einfach eine persönliche Reaktion mitbekommen und nicht nur lesen möchte. Und all die Anderen, beiläufigen “Freunde”, mit denen ich selten bis nie schreibe und von denen ich nur gelegentlich sehe, was sie sich gerade zu Essen gekocht haben, die füllen nur meinen Feed und sind damit Versorger gegen meine eigene Langeweile. Das will nun wirklich keiner, wie viel unpersönlicher kann es denn werden?

Sicher, ich werde so Einiges nicht mehr mitbekommen, sobald ich am 31.12.2014 mein Profil gelöscht habe. Und ich werde eine Menge Menschen aus den Augen verlieren. Doch damit bin ich einverstanden. Für all Diejenige, die ich ab 2015 nicht mehr “kennen” werde gilt: Darum ist es dann auch nicht schade. Wer mir wirklich etwas Wert ist und/oder mit mir in Kontakt bleiben möchte, der bekommt gerne meine Email Adresse oder meine Handy Nummer. Außerdem habe ich eine schicke Wohnung und eine bequeme Couch darin.

Letztendlich gefällt mir die Vorstellung viel besser, mit einem Freund unterwegs zu sein, statt mit einem Bildschirm.

Warum ich nur auf Tittenwerbung reagiere.

Kopfkeks

Werbung ist eine wirklich schlimme Sache. Sie führt das fort, was die BRAVO und schlechte Musikvideoclips bei uns als Teenager angefangen haben. Überhaupt: MEDIEN. Grauenhaft. Ha, und das schreibe ich heute, ausgerechnet an Halloween! Wunderbar. (Grauenhaft und Wunderbar in einen Satz zu bringen- alleine dafür sollte ich den Pulitzer bekommen.)

Zurück zum Thema: Vor ein paar Tagen las ich einen facebook Kommentar einer Freundin. Sie regte sich über das Sammelsurium geschmackloser Pissoirs auf- denn fast alle stellten in irgendeiner Art Frauen dar, und verständlicherweise möchte niemand- nicht mal stilisierte Frauen- dass man auf oder in ihn rein pinkelt. (Oder sie)
Es folgten einige beipflichtende Kommentare- nur einer darunter war vielleicht nicht unbedingt angemessen, wenn auch sicher nicht bösartig gemeint, löste aber dennoch eine grundlegende Diskussion über das Bild der Frau in dieser unserer modernen Welt aus.

Nach einigem Hin und Her beider aufgebrachter Seiten mit wirklich witzigen kleinen Kommentaren wie “Ich hab rote Haare, ich kann das voll verstehen…” bei denen ich doch schmunzeln musste, kam ich nicht umher der ganzen Sache meinen eigenen Senf aufzudrücken.
Ich schrob, dass ohne urteilen zu wollen, aber dem vernunftbegabten Beobachter/in doch schon allein in der alltäglichen Print- und Fernsehwerbung klar und überdeutlich werden sollte, dass das Bild, dass uns von einer Frau und ihrer Rolle in der Gesellschaft vorgelebt wird, mehr als diskussionswürdig ist.
Wenn man mal nur einen Tag darauf achtete MUSS man sich ja fast schon auch als Mann dermaßen darüber MIT aufregen, wie kleingeistig und primitiv der Großteil unserer Medien funktioniert, dass so eine Rollenzuordnung überhaupt möglich ist. Als Frau würde ich kaum aus dem Haus gehen können ohne wütend zu werden, als Mann habe ich das seltene wenn auch ungerechte Privileg dass mir diese Dinge um so weniger auffallen, je weniger ich auf meine Umgebung achte.
Als Frau ist diese Konfrontation mit dem eigenen Geschlecht als junge/schlanke/blöde/willige/wertlose Sexplakatierung allgegenwärtig und dürfte auch die selbstbewusstesten Damen beizeiten einholen und wirklich beschäftigen, sofern sie nicht mit geschlossenen Augen durchs Leben gehen.

Die Diskussionsstarterin pflichtete mir bei. Im Alltag begegnet man auf fast jeder vorstellbaren Ebene der Medien und Rollenverteilung einem Bild von Frauen, welches sich keiner so richtig gerne auf den Leib schneidern lassen würde. Ob nun Hosenhalbmasttragende HipHop Querulanten erklären dass Bitches nur zum vögeln da sind, Papa Mama anblökt warum die Stube (Was für ein schönes Wort- nebenbei) noch nicht geputzt ist oder die Plakate an den Bushaltestellen mit vollbusigen Blondchen Versprechen von Sex mit zwei dutzend ähnlichen Weibern geben, solange man nur ein entsprechendes Deo benutzt. Es ist- im wahrsten Sinne des Wortes- zum davonlaufen, aber leider nicht zu Entkommen.

ABER. Ich betrachte Dinge gerne immer aus allen Perspektiven. Und in dieser kleinen Aufführung gibt es auch die Sicht des MANNES. Wird dieser nicht auch stilisiert? Müssen Männer, glaubt man den angesprochenen Quellen, nicht immer muskulös, gutaussehend, technikbegeistert und von dicken Autos besessen sein? Traut man Männern denn nicht zu, dass sie auch auf andere Reize ansprechen als auf dicke Titten und suppentellergroße Brustwarzen? Männer werden in der Werbung darauf “reduziert”, dass sie triebgesteuert seien. Es geht darum, die Freunde zu beeindrucken und immer auf dem neuesten Stand mit der dicksten Hose zu sein. Natürlich ist diese verkorkste Geschlechterrolle die weitaus “angenehmere” von den Beiden zur Wahl stehenden. Nichts desto Trotz sind beide einfach Blödsinn.

Der Unterschied besteht darin, dass Männer in der Geschichte schon immer das “starke” Geschlecht waren. Sie hatten und haben immer mehrere Optionen, um gesellschaftlich anerkannt zu werden. Bist du klein, wirst du eben cool und unantastbar. Bist du hässlich kannst du mit Hacken und krassen Computerskills punkten. Bist du blöd trainierst du dir eben Muskeln an und hoffst, dass niemand dich nach der Anzahl unserer Bundesländer fragt.
Was ich damit sagen will ist: Männer haben einen wesentlich bequemeren Ausgangspunkt. Sie können sich sicher fühlen, denn irgendwie kommen sie schon zu ihrer Akzeptanz und ihrem Erfolg, mit ungemein weniger Aufwand als die meisten Frauen. Das ist wie einer dieser Bengel die von zu Hause ausziehen aber alles von Mutti und Vati bezahlt bekommen. Egal wie dämlich du dich anstellst, du kannst immer darauf wetten, dass am Anfang des Monats eine Notüberweisung der Eltern auf dem Konto landet.

Frauen hingegen mussten lange für ein gewisses Ansehen kämpfen. Es dauerte Jahrzehnte, aus der Rolle der treudoofen Hausfrau rauszukommen- und heute, 2011, diskutieren wir ernsthaft über eine Frauenquote? Ist das nun förderlich, weil sie dadurch unterstützt werden? Oder ist es eher eine begläubigte Unterschrift unter die Tatsache, dass die armen kleinen doofen wehrlosen Frauen es alleine nicht hinbekommen?
Quintessenz ist: Männer können den Medien wesentlich gelassener begegnen. Sie halten die vorteilhaftere Rolle inne, auch wenn sie natürlich genau wie Frauen von der Werbung in eine hirnrissige und fragwürdige Rolle gedrängt werden. Nur befinden sie sich in keinem Zweikampf um Akzeptanz: Entweder ich oder dieses bescheuerte Bild von mir.

Das Ding ist- und darauf brachte mich meine Freundin: Die Emanzipationsbewegung tut sich eigentlich keinen Gefallen, wenn sie sich stets und ständig über alles aufregt. Wie in fast allen Themenbereichen gilt es auch hier, ein gesundes Mittelmaß zu finden und manche Dinge einfach nicht ernst zu nehmen- das sollten Männer im Übrigen dringendst genau so tun. Die tun sich absolut keinen Gefallen damit, wenn sie unter solche und oder ähnliche Frauen-als-Pissoir-Fotos Kommentare schreiben wie “Höhö, Geil.”, weil es nur dazu führt, dass diese gesammelt werden, den Werbespinnern in ihrer beschränkten Welt vermitteln dass wir das toll finden und wir somit nur NOCH mehr Möpse sehen müssen, wenn wir uns durch das Internet bewegen. Mal ehrlich Freunde, ich KANN diese eine blonde Tussi nicht mehr sehen, die mir tagaus tagein weißmachen will, dass sie aus Berlin Marzahn kommt und nur darauf WARTET, dass sich endlich irgendwer dazu ERBARMT vorbeizukommen und sie ENDLICH von ihrer wahnsinnigen Geilheit befreit, einfach so, völlig kostenlos. Die hat es nämlich SO bitter nötig, dass sie jeden Tag umzieht und mal aus Marzahn kommt und tags drauf aus Lichtenberg, Neukölln oder an ganz verzweifelten Tagen sogar aus Gimmeldingen. Diese arme Frau! Zieht jeden Tag um und sich ständig für mich aus! Kommt dauernd aus anderen Ortsteilen aber nie zum Orgasmus! Was für ein Schicksal.

Ich möchte mal eine Coca Cola Werbung sehen, in der ein pickliger kleiner fettstirniger Knirps vorm Computer hockt, World of Warcraft spielt und sich ein Stück Pizza dazu zwischen die Backen schaufelt.
Oder eine Parfumwerbung, in der sich eine 54 Jahre alte Schrapnelle noch eben schnell was in ihre Haare pfeift, bevor sie sich in ihrem wahnsinnig geschmacklosen Kleid aus dem Haus macht.
Oder um Himmels willen endlich mal eine Bierwerbung ohne gutgebaute kernige Businesstypen die am Stand entlangwatscheln und sich durch ihr volles Haar fahren.
Ich wäre sogar zufrieden mit einer McDonalds Werbung, in der Burger aussehen wie traurige lapprige knatschige Kaugummis, die kaum zwei Finger breit sind und bestimmt schon drei Tage in der Sonne gelegen haben müssen.

DAS Produkt würde ich sofort kaufen. Und wenn es Scheisse ist- es wäre wenigstens ehrlich.

Kalle gibt den Ton an.

Berliner Weisheiten, Misanthropie

Die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin sind Transportmittel für menschliche Randgebiete aller Art.  Jeder Hinz und Kunz wird Tag und Nacht von A nach B kutschiert- mit Hunden, Kinderwägen und Ikea Einkäufen im Schlepptau drängelt sich die breite Masse in U und S Bahnen um nicht selten wenige hundert Meter Fußweg zu sparen. Für jeden vernunftbegabten Menschen muss dieses Theater ein sehr zweifelhaftes Schauspiel sein: man könnte meinen, dass bei all den Touristen, Bier saufenden Bau- und Börseaffen und Handy-Ghettoblaster Gangster Klappspaten die schiere Nähe einer Haltestelle ausreicht, um das Gehirn auf Halbmast zu hängen.

Dabei ist es doch gar nicht so schwer. Mit einigen wenigen simplen Regeln kommt man auch hier problemlos zurecht, ganz ohne anderen Mitmenschen stets und ständig im Weg zu stehen oder ihnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den Keks zu gehen. Das fängt schon bei den Treppen zu den Gleisen an. Links stehen, rechts gehen. Das ist nun wirklich nicht schwer zu merken. Links stehen, rechts gehen. Nicht links stehen, rechts stehen. Und ganz besonders nicht „Direkt nach dem Verlassen der Rolltreppe stehen.“ Jedem Besucher dieser Stadt, der seinen Liniennetzplan auffaltet sobald sein Fuß die letzte sich bewegende Stufe verlassen hat möchte man von hinten eine stumpfe Axt in den Schädel rammen. Überhaupt scheint es so, als wären sich Touristen wie leicht bis mittelschwer unterbelichtete Mitbewohner in keiner Situation der Tatsache bewusst, dass sie nicht alleine unterwegs sind sondern sich hinter ihnen und ihren grenzdebilen Überlegungen, welchen Klingelton sie als nächstes für alle hörbar durch das Abteil schallen lassen sollen, noch andere Menschen befinden. Ich werde nie verstehen, warum man in eine Bahn steigt, noch in der Tür innehält, sich 3 mal nach links und rechts umdreht um jede sich bietende Sitzgelegenheit gegeneinander aufzuwiegen und dann doch lieber stehen bleibt- direkt neben dem Eingang natürlich. Diese Disziplin erfreut sich auch in den Bussen enormer Beliebtheit- hier werden auch gerne zusätzlich sämtliche Hinweise der kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehenden Busfahrer ignoriert, dass man sich bitte aus dem Türbereich entfernen soll. Wer käme denn auch darauf, sich hier angesprochen zu fühlen, bloß weil man in einem rot eingezeichneten Bereich steht auf dem zwei durchgestrichene Füße zu sehen sind.

Ja, die Berliner und ihre Touristen nehmen die Aufforderung „zurückbleiben bitte“ doch sehr wörtlich. Wirklichen Umgang mit den Öffis haben eigentlich nur zwei Gruppen: Berufspendler und Bahnbettler. Doch wer hier auf angenehme Mitfahrer hofft, irrt. Zwar sind diese Gesellen äußerst routiniert in dem was sie tun, aber nichts desto trotz immer noch über alle Maßen anstrengend.

Berufspendler treten täglich von etwa 5 bis 9 Uhr in allen gegebenen Verkehrsmitteln auf und sind sehr leicht zu erkennen: müde starren sie mit trost- und geistlosen Blicken schwarze Löcher in die Atmosphäre und wirken wie eine kollektive Trauergemeinde auf dem Weg zur Beerdigung. Zwar nimmt die intellektuelle Anwesenheit in den Blicken dieser Spezies mit voranschreitender Uhrzeit exponentiell zu. Dafür allerdings auch das Bedürfnis, das morgendliche Frühstück nicht wie Andere auf dem Küchentisch zu erledigen, sondern in der Bahn. Egal ob sitzend, an eine Wand gelehnt oder bei jeder Haltestelle frei schwankend zwischen den Fluren umherstolpernd- gekrümelt wird überall. Ich glaube, der Mensch gibt viel von sich preis wenn er beim Essen beobachtet werden kann- und was man hier jeden Morgen zu sehen bekommt, lässt erahnen, dass die mentale Verkümmerung auch vor lackschühchentragenden Schlipsproleten keinerlei Halt gemacht hat.Eher im Gegenteil: je besser der Anzug geschnitten, desto mehr Reste vom Sandwich landen darauf. Ein Naturgesetz, welches einen an besonders geeigneten Tagen jede Lust auf weitere soziale Kontakte aller Art – und auf Essen – verderben kann.

Krümelfreier, aber deswegen nicht im Geringsten weniger appetithemmend sind die angesprochenen Bahnbettler. Zahn- und talentlos klimpern, tröten und lallen sie sich die Abteile entlang und wollen Geld für schlechte Musik, nutzlose Zeitungen oder auch gerne für gar nichts. Einfach so. im Glauben an das gute in der Menschheit. Ausgerechnet in der Bahn. Der Wiege jeden menschlichen Elends, dem Sammelpunkt für gruppendynamische Vollverblödung. Manch ein Tourist fällt natürlich trotzdem darauf rein und gibt Kalle und Co ein wenig Kleingeld- ob er ihn nun für seine Darbietungen bezahlt oder dafür dass er damit aufhört, sei dahingestellt. Kallele freut sich ein weiteres Loch und zückt nachdem er bei der nächsten Station ausgestiegen ist gleich sein Iphone um der Zentrale seinen Erfolg zu melden. Und während er so in der Tür steht und eine SMS schreibt, versuchen schon Andere wieder sich an Kalle vorbei zu drängen um vom alltäglichen Bahn-Wahn auch ja nichts zu verpassen.